Kriminalität

Faktencheck zum Bierdeckel „Man kann sich heute ja im Dunkeln nicht mehr auf die Straße trauen.“

Die Behauptung, dass Ausländerkriminalität ein wachsendes Problem sei, wird häufig pauschalisiert und ungenau dargestellt. In diesem Faktencheck beleuchten wir die tatsächliche Entwicklung, erklären die zugrunde liegenden Daten und Hintergründe und geben Einblicke in die Situation im Rheingau-Taunus-Kreis.

Kriminalitätsentwicklung im Überblick

Vorbemerkung: Eine wichtige Quelle für die Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Dabei muss unbedingt beachtet werden: Die Kriminalstatistik bildet nur die Anzeigen ab, nicht die Anzahl rechtskräftig verurteilter Straftäter:innen! Das bedeutet, dass nicht jede:r Tatverdächtige auch tatsächlich schuldig ist.
 
Die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, dass die Anzahl von Anzeigen pro 100.000 Einwohner in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken ist. Zwischen 1993 und 2023 sank die Anzahl der Anzeigen bei Diebstahl auf ein Drittel, während die Gewaltkriminalität seit 2007 um 25 % zurückging. Von einer generellen Zunahme der Straftaten kann daher nicht die Rede sein.
 
Ein Blick auf die Zahlen aus Hessen zeigt: Im Jahr 2022 lag die Anzahl der registrierten Anzeigen bei 5.855 pro 100.000 Einwohner:innen. Trotz eines leichten Anstiegs im Jahr 2023 auf 6.220 bleibt dies – unter Ausklammerung der Pandemiejahre – einer der niedrigsten Werte seit 2004.

Ausländer in der Kriminalstatistik

Die Frage, ob Straftaten signifikant häufiger durch Ausländer:innen begangen werden, lässt sich nur näherungsweise* mit statistischen Daten aus dieser Kriminalitätsstatistik beantworten. Diese Statistiken werden in Deutschland jährlich von den Landeskriminalämtern und der Polizei veröffentlicht und unterscheiden dabei oft zwischen verschiedenen Tätergruppen, einschließlich Staatsangehörigkeit. Dies erfordert jedoch eine differenzierte Betrachtung:
  1. Relativer und absoluter Anteil: 2020 betrug der Anteil der Ausländer:innen an den rechtskräftig verurteilten Straftätern in Deutschland 35,4 %, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 10,9 % entsprach. Auch wenn Ausländer:innen in der Statistik überproportional vertreten sind, ist dies oft durch andere Faktoren erklärbar, wie sozioökonomische Bedingungen, Alter oder den Umstand, dass bei bestimmten Delikten (z. B. illegalem Aufenthalt) die ausländische Staatsangehörigkeit notwendigerweise registriert wird.
  2. Schwerpunkte der Straftaten: Ein Großteil der von Ausländer:innen begangenen Straftaten fällt in den Bereich des Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsrechts, die nur von Nichtdeutschen begangen werden können. Werden diese Delikte herausgerechnet, sinkt der Anteil ausländischer Tatverdächtiger an der Gesamtkriminalität signifikant. Weitere häufige Delikte, die von Ausländer:innen begangen werden, sind Beförderungserschleichungen und Rauschgiftdelikte.
  3. Anzeigebereitschaft: Opfer zeigen Straftaten häufiger an, wenn der Täter:innen als „fremd“ wahrgenommen wird, was zu einer verzerrten Wahrnehmung führen kann. 
* Im statistischen Vergleich erscheint der Anteil der Ausländer:innen, die einer Straftat verdächtigt werden, in der polizeilichen Kriminalstatistik deutlich höher zu sein, als es entsprechend ihrem Anteil an der Wohnbevölkerung zu erwarten wäre. Die Statistik zeigt vor allem auf, dass Ausländer:innen häufiger verdächtigt werden, was nicht notwendigerweise bedeutet, dass sie in gleichem Maße häufiger verurteilt werden.
 
Darüber hinaus ist ein direkter Vergleich der Ausländeranteile zwischen Verurteilten und der Gesamtbevölkerung nur eingeschränkt möglich, da zur Bevölkerung nur die einwohnerrechtlich registrierten Personen gezählt werden, sich tatsächlich aber immer mehr, als nur die registrierten Auslände:innenr:innen im Land befinden: Ausländer:innen werden zum einen auch dann in der Strafverfolgungsstatistik erfasst, wenn sie sich illegal in Deutschland aufhalten, extra für Diebstähle oder Einbrüche eingereist sind oder die Straftat als Touristen – etwa ein Verkehrsdelikt – begangen haben. Zu den Ausländer:innenn in Deutschland gehören nämlich z.B. auch die spanischen Ehepartner:innen von Deutschen und Asylbewerber:innen aus Eritrea genauso wie Geschäftsreisende aus Polen und Fernfahrer aus Frankreich.

Regionale Perspektive: Rheingau-Taunus-Kreis

„Nirgends in Hessen ist es weniger wahrscheinlich, Opfer eines Verbrechens zu werden, als im Rheingau-Taunus-Kreis“, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung im März 2024. Diese Region gilt als eine der sichersten in Hessen. Während die Zahl der registrierten Straftaten 2023 zwar leicht angestiegen ist, bleibt sie auf einem historisch niedrigen Niveau.
 
Auch hier zeigt die Kriminalstatistik, dass der Anteil ausländischer Tatverdächtiger vor allem bei spezifischen Delikten wie Beförderungserschleichung und Rauschgiftdelikten auffällt. In vielen Fällen spielen jedoch sozioökonomische Faktoren wie Armut und Perspektivlosigkeit eine größere Rolle als die Staatsangehörigkeit.

Interpretation der Daten

Es ist wichtig zu betonen, dass die polizeiliche Kriminalstatistik nur die Zahl der Strafanzeigen erfasst, nicht jedoch die rechtskräftigen Verurteilungen. Nicht jeder Tatverdächtige ist auch schuldig, und die Verurteilungsquote liegt oft niedriger. 
 
Zudem darf man nicht einfach „die Ausländer:innen“ pauschalisieren. Die Statistik des Bundeskriminalamtes zeigt, dass anerkannte Asylbewerber:innen – trotz widriger Umstände – sogar seltener straffällig werden als der Durchschnitt der Bevölkerung: Im Jahr 2018 bildeten 872.000 anerkannte Asylbewerber:innen 1,1 Prozent der Bevölkerung an, aber aus dieser Gruppe kamen nur 0,53 Prozent der Tatverdächtigen. Dies bedeutet: Anerkannte Asylbewerber:innen sind anscheinend nicht nur weit weniger kriminell als andere Migrant:innen, sondern auch gesetzestreuer als Deutsche.
 
Armut, soziale Benachteiligung und fehlende Perspektiven hingegen erhöhen das Risiko, straffällig zu werden – unabhängig von der Herkunft. Experten betonen daher, dass Kriminalität keine Frage des Passes, sondern der Lebenslage ist.

Fazit

Die Behauptung einer steigenden Ausländerkriminalität muss differenziert betrachtet werden. Die Daten zeigen, dass vermeintliche Auffälligkeiten bei ausländischen Tatverdächtigen häufig durch spezifische Delikte (v.a. Aufenthalts- Asyl-, Freizügigkeits- sowie Beförderungserschleichung und Rauschgiftdelikte) und soziale Faktoren (Armut, Benachteiligung, fehlende Perspektiven) erklärbar sind. 
 
Statt pauschaler Verurteilungen sollte der Fokus auf Prävention und der Schaffung von Perspektiven liegen. Der Rheingau-Taunus-Kreis bleibt eine der sichersten Regionen Hessens, und die gesellschaftliche Integration sollte als Chance gesehen werden, nicht als Bedrohung.

Zu guter Letzt

Ist der Begriff „Ausländerkriminalität“ nicht schon problematisch? Denn: „Kriminalität ist keine Frage des Passes, sondern eine Frage von Lebenslagen“ (vgl. Steffen, W.; Elsner, E. – in: Kriminalität junger Ausländer, in: Deutsches Polizeiblatt, Nr. 5/2000, S. 20-24).

Quellen